Eine Busreise nach Prag
An
einem Betriebsausflug der Pathologie des Krankenhauses Eisenhüttenstadt, der
Arbeitsstelle meines Mannes Günter, konnten auch die Angehörigen der
Angestellten teilnehmen. So war es zu DDR-Zeiten allgemein üblich.
Im Juni 1960 war Ziel eines solchen Ausflugs die Stadt Prag.
Da der Bus laut Plan durch das böhmische Elbtal fuhr, erbat ich eine Rast in
Praskowitz an der Elbe. Die Reiseleitung sagte zu.
Ich natürlich sehr aufgeregt, sollte ich doch nach 15 Jahren erstmals meinen
Heimatort wieder sehen, aus dem ich unter schrecklichen Umständen vertrieben
worden war.
Auch wollte ich meinem Mann zeigen, wo ich geboren wurde und aufgewachsen
bin.
Der Bus hielt in Praskowitz. Klopfenden Herzens ging ich mit Günter die
Gasse zu meinem Vaterhaus entlang. Ich dachte aufgeregt: Was erwartet mich?
Zunächst standen wir vor einem hohen Brettertor. Als wir öffneten, erblickte
ich zu meinem Schrecken die Trümmerreste unseres Wohnhauses neben der Ruine
des Rinderstalls. Auch von der Scheune und den anderen Stallungen waren nur
noch Trümmer vorhanden.
Im Vorgarten stand noch ein beschädigter Aprikosenbaum, aber von unserem
großen Nussbaum fehlte jede Spur. Auch unser Vorratskeller für Kartoffeln
und Rüben war zugeschüttet worden.
Es war kein schöner Anblick für mich. Traurig ging ich mit meinem Mann
zurück zu den anderen Ausflugsteilnehmern, die auf ein Glas Bier im Gasthaus
zur Krone eingekehrt waren.
Danach ging die Busfahrt nach Prag weiter. Während ich trübsinnig meinen
Eindrücken nachhing, bekam ich plötzlich heftige Bauchschmerzen.
Günter sagte zu mir:" Mach’ Dir doch Luft, durch den Motorlärm hört es ja
niemand!“
Gewiss, gehört hat es niemand, aber ein fürchterlicher Geruch zog sogleich
durch das Fahrzeug. Im Verlauf der Fahrt wurde dann von den
Ausflugs-Teilnehmern gerätselt und gewitzelt, wer sich wohl derart entlüftet
hätte. Die Sachen war für eine ganze Weile der Gesprächsstoff.
Mein „Duft“ strich von hinten nach vorn im Bus herum und kam seltsamerweise
auch immer wieder vom neuem zurückgezogen.
Natürlich habe auch ich dann gemeinsam mit den anderen Fahrgästen mein
Erstaunen und meine Entrüstung kund getan (und mich dabei heimlich amüsiert)
- bis endlich in Raudnitz die Bustüren zum Beine-vertreten geöffnet wurden
und wieder frische Luft herein kam. Mir war nun wieder wohler, auch meine
Traurigkeit überwunden.
Diese Begebenheit fiel mir ein, als neulich während unseres Klubnachmittags
von Reiseerlebnissen und Busfahrten berichtet wurde. Natürlich habe auch ich
meine Geschichte erzählt.
Fazit: So kann man auch mit kleinen Dingen,
den andern Spaß und Freude bringen!
Lydia Radestock, im August 2007 |