Als ich mit meiner Freundin Traudel 1938 Osterwasser holen ging ...

In meiner alten Heimat gab es zahlreiche Osterbräuche. Einer davon war: Die jungen Mädchen gingen Osterwasser holen. Dabei galt es, das Wasser bis nach Hause zu bringen, ohne zu reden, zu kichern, zu singen – ja, ohne überhaupt irgendeinen Laut von sich zu geben.
Das wussten aber auch unsere Dorfjungs, und taten Jahr für Jahr alles, um uns zu überraschen und die Sache gründlich zu verderben.

1939, wir waren 14, hatten meine Freundin Traudel und ich uns ganz fest vorgenommen, uns von den blöden Bengels diesmal auf keinen Fall erwischen zu lassen.
Damit wir es nicht wieder verschliefen wie im Jahr davor, ließen wir einen Wecker klingeln. Es war noch duster, da zogen wir am Ostersonntag ganz eilig mit unseren Krügen los zum Paterborn. Bald waren wir bei der Quelle angelangt, wo schon einige andere Mädchen aus dem Dorf ihre Gefäße mit Wasser gefüllt hatten. Deshalb dauerte es eine ganze Weile, denn immer nur eine von uns Mädchen konnte an die Quelle heran. Jede wusch sich dabei nach altem Brauch auch noch das Gesicht. Rings um die Quelle war lehmiger glitschig - feuchter Boden, und alle mussten alle acht geben, dass sie nicht hinfielen, wollten sie heil mit dem Wasser nach Hause kommen. Hinter den hohen Büschen an der Quelle hatten wir aber gleich nachgeschaut – keine Junge war zu sehen! „Verschlafen“, dachten wir schadenfroh.

Dann ging es zurück. Wir waren schon seelig, es fast bis zum Dorf ohne zu schnattern oder lachen geschafft zu haben. Da ertönte plötzlich von Wesselys Garten her ein Gegrunze und Geschnaufe, und einige Jungs sprangen vor uns hoch und erschreckten uns wirkungsvoll.
Unser Gekreische blieb nicht aus! Ganz traurig liefen wir dann nach Hause. Die Dorfbengels lachten uns hinterher. Sie freuten sich diebisch, dass sie es wieder einmal geschafft hatten ,,,

Lydia Radestock, im April 1997

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