Das neue Radio

Der alte Herr Trödel bei uns in Praskowitz war von jeher für neumodische Sachen zu haben. Deshalb kaufte er sich 1930 eines Tages, wie schon kurz vor ihm der Bittner Paul, ein Radio. Mit so einem Sprechkasten konnte man immer die allerneuesten Nachrichten erfahren!

Als er es das erste Mal ausprobierte, hörte er, wie gerade ein Mann einen Vortrag über die Landwirtschaft hielt. Mit dem Gesagten war aber Trödel Pepsch nicht einverstanden. Er schimpfte deshalb so laut, dass der Jentsch Fritz draußen vor dem Fenster stehen blieb und horchte, was es bei Trödels so Entsetzliches gäbe. Da es drinnen in der Stube immer lauter wurde, ging er schließlich hinein, um zu sehen, was eigentlich los war, und seine Hilfe anzubieten.

Er erblickte den Alten vor dem Kastel stehend und sagen: „Du Depp, jetzt bin ich so alt geworden, da werde ich wohl besser wissen, wann ich meine Felder düngen muß". Er hat dabei so räsoniert und herumgefuchtelt, dass beinah das Radio vom Tisch gefallen wäre.
Der Pepsch dachte also, dass ihn der Mann im Radio verstehen kann. Er konnte sich kaum beruhigen, denn eine andere Meinung als die seinige duldete er nicht.
In der Folge ging der Diskurs also zu Dritt weiter, denn der Fritz gab dem Alten recht, weil er ja viel zu jung und zu bescheiden war, um ihm zu wiedersprechen. Damit waren sie in der Überzahl: Zwei Mann gegen den im Radio.

Das Trödel-Radio war für viele Dorfbewohner eine Attraktion. So wollten sich auch der Heyßler Sepp und der Schmehle Willy einmal die Neuerwerbung angucken. An dem Tag hatte Frau Trödel Dalken (Hefekuchen) auf der Herdplatte gebacken, und einige standen noch in einer Schüssel auf dem Küchentisch. Da niemand im Hause war, nahm der (immer zu Späßen aufgelegte) Sepp heimlich einen kleinen Dalken und hängte ihn statt des Perpendikels an die Kuckucksuhr. Dann suchten beide schnellstens das Weite, weil sie sich das Lachen nicht mehr verkneifen konnten.

Wie mag der Trödel über diese Kuchen-Zweckentfremdung geflucht haben, wenn ihn schon ein harmloser Radio-Kommentar über die Landwirtschaft so erregte?!

Lydia Radestock, im Mai 2004

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