Der Ziegenbock des alten Prokesch

Der alte Prokesch Franz wohnte mit seiner Frau an der Praskowitzer Hauptstraße neben der Gaststätte „Zur Obstbörse“ - sie hatten etwas Land und einige Ziegen. Dazu hielt sich der Franz auch einen Ziegenbock, welcher einen eigenartig penetranten Geruch in der gesamten Umgebung verbreitete. Er hatte sich diesen Bock Ende der 1930er extra angeschafft, um, wie man im Dorf sagte, die Nachbarschaft zu ärgern.

Gegen die Ziegen-Haltung konnte man ja auf dem Land nichts unternehmen, und der Stall sowie die Tiere wurden immer sauber gehalten. Etwas störend war der Bockgestank aber schon - auch manchmal für die Kunden seines Sohnes, denn im ersten Stock des Wohnhauses befand sich dessen Herrenschneiderei.

Damit es weiter Ziegennachwuchs im Dorf und in der Umgebung geben konnte, hatte dieser Bock nun natürlich die Aufgabe bekommen, sämtliche ihm zugeführten Ziegen in einer abgeschirmten Ecke des Hofes zu besteigen. Es sollten ja keine Zuschauer, vor allem keine Kinder, dabei sein!

So standen denn manchmal abends mehrere Frauen des Dorfes auf einmal mit ihren aufnahmewilligen Ziegen regelrecht an und warteten in Prokeschens Hof, bis der Bock auch für ihr Hörnertier bereit war.

Auch meine Mutter war um 1944 mit unserer weißen Ziege einmal dort beim Bock, und die „Maschl“ bekam nachher zu Ostern noch zwei Zicklein, welche wir zu weiterer Aufzucht an Bekannte verschenkten.

Der alte Prokesch Franz war ein lustiger Mann - besonders beim Fasching machte er gern einen Spaß mit. Seine Ziehharmonika war sein ein und alles. Sobald er eine freie Minute hatte, spielte er flotte Melodien.

Einmal war seine Frau beim Kuchenbacken für eine Kirmes, und hatte die mit Pflaumen und Mus vorbereiteten, teigig-runden-flachen Hefekuchen überall in der Küche ausgebreitet stehen. Der Teig sollte ja vor dem Backen noch etwas aufgehen. Plötzlich kam der Franz heim und wollte gerne Harmonika spielen. Weil er sofort merkte, daß kein Sitzplatz für ihn frei war, rief er nach unserer Mundart „Marie, namm de Kuche wag“. Weil es ihm nicht schnell genug ging, setzte er sich einfach in so einen teigigen Pflaumenkuchen hinein und begann zu spielen. Seine Frau erzählte es der Nachbarin, und schon war es Dorfgespräch geworden. Beim nächsten Federschleißen wurde sie natürlich dafür gehänselt und gefragt, ob der Franz inzwischen schon wieder mal im Teig gespielt hätte.

Lydia Radestock, im September 1997

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