Die „Diplomaten-Bank“
In unserem Dorf Praskowitz neben dem Gasthaus zur Krone,
an Jentschen Hofmauer unmittelbar an der Straße, stand einst eine
lange Bank. Sie wurde von den Einwohnern „Diplomaten-Bank“
genannt, und das hatte seinen Grund: Dort saßen bei schönem
Wetter, wenn daheim bei Muttern keine Arbeit zu verrichten war, fast täglich
unsere „alten Herrn“ und debattierten. Immer wussten sie als
erste, was im Dorfe so los war. Alles wurde, die kalten Pfeifen im Mund,
besprochen.
War
traf sich da so?
Da war der alte Tschischtian, der vor seiner Berentung im Steinbruch Finkenherd
beschäftigt war, um Schottersteine für den Straßenbau
zu klopfen. Dann noch Schmehlen Franz, mein Stiefgroßvater, der
mir öfter davon erzählt hat, wie er als junger Mann mit seinem
Vater von Praskowitz aus in einer Zille Sand, Steine oder Obst die Elbe
hinab oftmals sogar bis nach Hamburg fuhr. Ich erfuhr dabei, dass das
Be- und Entladen schwere Arbeit war, denn dazu hatten sie damals ja noch
keinen Kran und mussten alles kiepenweise auf dem Rücken über
ein schmales Bett in die oder aus der Zille befördern. Als dann die
Eisenbahn gebaut wurde, hat er sich bei der Bahn zum Gleisbau beworben
- denn da gab es ganze Jahr über Arbeit. Der alte Tunkel Karl war
auch zuerst im Steinbruch und später als Friedhofs-Instandhalter
und Totengräber sowie Gemeindediener beschäftigt. Dann gab es
da noch den alte Dorfpolizisten und Nachtwächter Ritschel. Vor dem
hatte besonders die Jugend viel Respekt. Denn er fackelte nicht lange,
wenn im Dorfe Unfug getrieben wurde. Gar mancher Junge hatte da schon
mal einen Klaps auf den Hintern bekommen. Wenn er bei seinen Rundgängen
an einem Stock durchs Dorf ging, verzogen sich die Bengels beizeiten,
weil man ihn ja schon von weitem kommen hörte. Manchmal kam auch
der Schmiede Seff dazu. Wenn es gar zu spannend wurde, fuchtelte der beim
Erzählen immer mit den Händen herum.
Wenn es im Sommer zu heiß wurde, saßen die
„Diplomaten“ manchmal auch unter einer Linde vor dem Gasthaus
zur Obstbörse. An diesem Platz war natürlich noch mehr zu beobachten
- da kamen ja oft Gäste und Sommerfrischler zur Gaststätte,
um sich Auskunft zu holen. Am Sonntag sah man sie nachmittags mitunter
auch auf eine Stunde bei einem Glas Bier und einer Runde zum Torak, einem
Kartenspiel, in der Gaststätte.
Es waren alles solide verdiente Männer, denen das
Dorf ihre Gesprächsrunde herzlich gönnte. Mögen sie in
Frieden ruhen!
Lydia Radestock, im Januar 2003 |