Die Glocken von Praskowitz

Im ersten Weltkrieg waren die zwei großen Glocken der Praskowitzer Kirche dem Kaiser in Wien für das Gießen von Kanonenkugeln geopfert worden – der Ort durfte 1914 nur die ganz kleine Glocke behalten.

Nach dem Krieg wurde dann bis 1935 Jahr für Jahr im Ort und im benachbarten Lichtowitz gesammelt, um für den Kirchturm wieder neue Glocken zu bekommen. Eines Tages war es dann soweit: Am 12. Mai, einem schönen sonnigen Tag, wurde die Weihe der neuen Glocken auf dem Dorfplatz, im Beisein der versammelten Praskowitzer und Lichtowitzer Bevölkerung, vom Bischof aus Leitmeritz vorgenommen. Auch unser Pfarrer Draschil war anwesend.

Die Glocken hatte man geschmückt und auf dem großen Plattenwagen vom Bauer Jakowtz befestigt. Er hatte seine Ackerpferde vorgespannt, und sein Neffe, der Neumann Rudolf, saß vorn auf dem Bock, um das Fuhrwerk zu lenken.
Ringsherum hatten sich auch noch die Feuerwehr, der Kirchenchor, sowie Gesangverein, Jugendverein, Jagdgesellschaft ... aufgestellt. Dazu kamen noch die Schulkinder. Und da waren natürlich auch die Glocken-Paten, welche einen bestimmten eingeschriebenen Betrag gespendet hatten - sie wurden alle einzeln namentlich aufgerufen.

Nach dem kirchlichen Segen und den darauf folgenden Gebeten erklangen die Gesänge der Chöre, Vereine und Schulkinder. Anschließend wurden die Glocken in Begleitung der Geistlichen zu Kirche gebracht und unter dem Beistand des Glöckners im Kirchturm befestigt. Andächtig warteten die Ortsbewohner auf ihren ersten Klang ...

Die Praskowitzer Glocken begleiteten mich danach durch meine gesamte Jugendzeit. Sie hatten ja nicht nur die Morgen-, Mittags- und Abendzeit zu verkünden. Auch beim Bersten des Eises auf der Elbe, bei anderen Gefahren und traurigen Anlässen, aber auch bei einem Grund zur Freude erklangen ihre Töne.

Anlässlich eines meiner Besuche in Praskowitz habe ich erfahren, dass alle drei Glocken Mitte der 1990er  Jahre entwendet wurden. Damit entschwindet auch ein Teil meiner Jugend unwiederbringlich - es bleibt mir nur die Erinnerung an das schöne Geläut im Elbtal an der Böhmischen Pforte.

Lydia Radestock, im Februar 1997

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