Die Trödels aus Praskowitz

Wenn ich an die Bewohner meines Heimatdorfs Praskowitz zurückdenke, fällt mir oft die Familie Trödel ein. Diese Erinnerung ist an verschiedene besondere und skurrile Begebenheiten geknüpft:

Der alte Herr Trödel war ein sehr eigenwilliger, manchmal sogar kauziger Mann, der eine andere Meinung als die seinige nicht duldete.
Trödels Tochter war in einem weit entferntem Ort mit einem reichen Sägemüller verheiratet; sie wohnte dort weitab vom Bahnhof. Als der Vater sie einmal besuchen kam, ließ sie ihn von ihrem Chauffeur mit dem Auto abholen.
Der Pepsch dachte jedoch, dass sein Mitfahren viel Geld kosten würde. Darum war er durchaus nicht zum Einsteigen zu bewegen und lief die ganze weite Strecke neben dem Wagen her. Der Fahrer erzählte dies bei uns im Dorf, als er später einmal die Frau Trödel zur Tochter bringen sollte.

Der Trödel-Bauer war geizig: Obst, Eier, Gänse, Milch und Schweine - alles wurde von ihm verkauft, nichts für sich behalten. Seine kulinarischen Höhepunkte erreichte Trödel, wenn er mit seiner Frau mittags eine Leberwurst oder am Wochenende eine Flasche Bier teilte. Die Kartoffeln aß er trocken. Weihnachten gab über Jahre hinweg für beide je einen halben Brathering!

Frau Trödel war das ganze Gegenteil ihres Mannes: Eine sehr liebe, gutmütige Bäuerin. Sie musste halt immer machen, was er wollte. Ihre beiden Enkeltöchter wohnten weit weg; trotzdem hatte sie für uns Kinder immer irgend eine Kleinigkeit im Haus, wenn wir sie besuchten. Meine Freundin Traudel und ich spielten manchmal in den Ferientagen mit den beiden Enkelinnen, wenn sie bei den Großeltern in Praskowitz waren.

Die Trödelin konnte Warzen und Gürtelrose besprechen und versuchte also, mit Worten zu heilen. Man durfte aber niemals einem anderen Menschen sagen, was sie dabei gesprochen hatte. Sie kannte sich auch mit Kräutern aus; Tinkturen und Salben bereitete sie selbst zu. Damit half sie, wenn die Dorfleute mit Wunden oder Leiden zu ihr kamen.

Auch für kranke Tiere hatte Frau Trödel, Tochter eines Schäfers, immer ein Mittel parat. Einmal musste ich mit einer Henne zu ihr, der sie den Ziep gezogen hat. Das ist eine verhärtete Stelle unter der Zunge. Sogar in die Zukunft konnte sie sehen und hat manches vorausgesagt, was in späteren Jahren eingetroffen ist.
Niemals hat sie für ihre Guttaten etwas genommen. Das würde ihr kein Glück bringen, sagte sie zu uns. Leider ist sie sehr früh gestorben, und wir waren noch viel zu klein, um uns einige ihrer Hausmittel zu merken.

Lydia Radestock, im Februar 2004

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