Erntedank

In meiner Heimat gab es fruchtbare Äcker. Da die Sudetendeutschen ein fleißiges Volk waren, die das kleinste Stück Land und sogar die Hänge bewirtschafteten, erzielten sie mit Mühe und Geduld manch reiche Ernte.

Damals existierte bei uns noch keine Großraumwirtschaft, und es musste viel Handarbeit geleistet werden. Wenn im Elbetal Heu, Getreide, Kirschen, Beeren oder Kartoffeln geerntet und die Felder fast abgeräumt waren, wurde, wie auch anderen Dörfern, im Oktober in Praskowitz immer das Erntedankfest feierlich begangen. Dazu trafen sich die Einwohner mit dem Pfarrer in der Kirche.

Die Bauern und Häusler brachten dann im Namen des Dorfes meistens etwas Obst und eine gemeinsam angefertigte Getreidekrone sowie eine kleine Garbe mit zur Kirche. Es ward dies alles vor dem Altar aufgebaut. Während einer Messe wurden diese Gaben anschließend vom Pfarrer eingesegnet und für die reiche Ernte Dankgebete gesprochen. Daheim gab es dann natürlich auch besonders festliches Essen und die guten böhmischen Häufelkuchen (Golatschen) zum Kaffee.

Im Jahre 1937 wurde aus diesem Anlass sogar - vom Vorplatz der Kirche aus - ein vom Pfarrer gesegneter Korso aus einigen mit Blumen und Birkengrün geschmückten Leiterwagen gestaltet, vor denen mit Blumen geschmückte Pferde gespannt waren. Auf diese Wagen hatte man Körbe mit Obst, Getreide, Kartoffeln, Milchkannen ... gestellt; einen zierte sogar eine große Erntekrone und Getreidegarbenbündel. Auf etlichen Wagen waren Bauersfrauen, Mägde und Obstpflücker mit dabei. Ein Gefährt trug einen Pflug; dahinter stand ein Bauer und daneben als Sämänner gekleidete Landleute. Im Beisein der Kinder, der Erwachsenen und einer Blaskapelle wurde dieser Umzug dann durch das ganze Dorf geleitet.

Auch wir Kinder hatten während der Erntezeit immer unsere Aufgaben, um bei den verschiedenen Ernten mithelfen zu können. Am schönsten und interessantesten waren jedoch für uns im Herbst die Feuer des getrockneten Kartoffelkrautes auf den Feldern. Wie gut doch so eine angerußte Kartoffel während der Pause beim Kartoffellesen schmecken konnte! Wir holten uns dabei aber auch manche Blase an den Händen, wenn wir unsere Erdäpfel wieder aus der Glut nehmen wollten. Schön war es auch abends, müde und nach Rauch riechend auf dem Wagen auf den Kartoffelsäcken sitzen zu können und heimfahren zu dürfen. Schon deshalb waren wir gern bei den Erntedankfesten dabei, denn auch wir hatten doch unseren Beitrag dazu geleistet!

Lydia Radestock, im Februar 2003

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