Feste in der alten Heimat

Wenn ich an meine alte Heimat, das Elbetal im Sudentenland, denke, fällt mir auf: Wir waren ein fröhliches Volk! Nach harter Arbeit war stets gut feiern. Dazu einige Erinnerungen aus meiner Kindheit und Jugend:

Auf dem Hradecker Berg, oberhalb der Teufelstatze am rechten Elbufer, in der Nähe des Einganges zur Böhmischen Pforte, befand sich mitten im Wald eine kleine Wallfahrtskapelle.
Bis zum 2. Weltkrieg fanden hier jeweils Pfingstmontags Messen und Wallfahrten, abends dann auch Maien-Andachten statt. Nach jeder Messe wurden die Wallfahrtsteilnehmer vom Pfarrer eingesegnet.
Es war immer alles sehr feierlich. Aus vielen Gebirgsdörfern der Leitmeritzer Umgebung kamen Prozessionen mit Marienstatuen zu dieser Kapelle. Die hölzernen Marien-Abbildungen, in weiße, reichlich mit Pailletten geschmückte Kleider gehüllt und mit vielen geweihten Rosenkränzen behängt, wurden oft von weit her durch viele Dörfer von jeweils 6 jungen Burschen abwechselnd getragen. Dahinter gingen Mädchen in weißen Kleidern und Knaben in schwarzen Hosen und weißen Hemden. Dann kamen die erwachsenen Wallfahrer. Unterwegs wurden immer wieder Gebete gesprochen und Kirchenlieder gesungen.
Auch wir Kinder gingen von Praskowitz aus gern mit unseren Eltern zu diesem Fest. Denn es gab nach der Messe allerhand zusehen. Wir konnten es kaum erwarten, alles angucken zu dürfen. Auf dem großen Vorplatz der Kapelle waren immer viele Jahrmarktbuden aufgestellt, in denen alle möglichen Waren angeboten wurden. Was es da alles zu kaufen gab!
Besonders hatten es uns natürlich die „Türkische-Honig-Männer“ mit ihren kleinen roten Käppchen auf dem Kopf angetan, und dann die Mandelröster ... Die ganze Umgebung duftete nach diesen Mandeln und dem Honig.
Dann gab es auch noch die Buden mit der Zuckerwatte. Ganz schnell wurde so ein großer weißer Bausch aus Zucker zurecht gesponnen.
Man wusste eigentlich gar nicht, wo man überall stehen bleiben und gucken oder was man sich zuerst für seine Krone kaufen sollte. Am Türkischem Honig konnte man zwar lange lutschen, bekam dabei leider immer ganz klebrige Finger, viel Durst und musste noch acht geben, dass man nicht von einer Wespe gestochen wurde.
Anschließend ging es in Libochowann stets zu Tante und Onkel. Auf´s Mittagessen konnten wir dort angesichts der vorherigen Näscherei getrost verzichten. Doch zum Kaffee am Nachmittag, da gab es die kleinen Golatschen, denen wir nicht wiederstehen wollten.
Als wir später größer waren, gingen wir statt mit den Eltern lieber mit Freunden zu diesem Fest - da konnte man länger auf dem Platz herumbummeln, alles in Ruhe angucken und außerdem gab´s dann unterwegs noch manchen Spaß.

Auch das Obstbaum-Blütenfest Ende April in Salesel war für mich immer lustig. Denn bei Schimkens (Mutters Bruder) veranstalteten wir meistens allerhand Gaudi mit meinen beiden Cousins, Josef und Emil; aber auch die beiden Cousinen Anni und Gretel waren immer gut drauf. Zu toll durften wir es aber nicht treiben, sonst gab´s ein Donnerwetter von Onkel Josef.

Im „Wonnemonat“ ging es ringsum in den Dörfern zu den Maibaumfesten. Denen werde ich eine gesonderte kleine Geschichte widmen.

Im Juli stand das Zirkowitzer Anna-Fest ins Haus. In Salesel erwarteten mich dazu an der Elbfähre meist schon meine Schimken-Verwandtschaft. Dann ging es zuerst in die Kirche und nachher auf den Festplatz, herumbummeln: Süßigkeiten, Spielsachen, Anstecknadeln, Glasperlenketten und die anderen Waren lockten in den vielen Buden. Anschließend wanderten wir gemeinsam zu Verwandten nach Sebusein und zur Großmutter nach Birnay - schon wegen der Festkuchen. Mit dem Schiff fuhren wird dann abends zurück.
Meistens nahmen wir auch andere Kinder unseres Ortes zu unseren Verwandten mit; dafür wurde man wieder in ein anderes Dorf mitgenommen, wo man selber niemanden gut kannte.

Das Dubitzer Fest haben wir ebenfalls nie verpasst. Dubitz ist der Ort mit dem bekannten Dubitzer Kirchl; es war jedenfalls früher jedem Elbtal-Bewohner ein Begriff. Wir bekamen von unseren Verwandten auch hier stets einige der kleinen Festkuchen für den Heimweg mit.

Im Herbst waren die Erntedankfeste, und außerdem wurde überall in den Dörfern unserer Umgebung die Kirmes gefeiert - auch das war Gelegenheit, unsere Verwandten zu besuchen und dabei noch wohlschmeckenden Kirmeskuchen zu futtern.

Wo immer auch gefeiert wurde: Damals mussten wir fast überall hin zu Fuß auf den Weg machen, manchmal 15 bis 20 Kilometer weit. Es galt auch, acht zu geben, zur rechten Zeit wieder zu Hause zu sein und möglichst noch einige Heller wieder mit heim zu bringen.

Ihr seht: Dorfkinder hatten bei uns früher viel Abwechslung, Spaß und Freude - trotz bescheidener Mittel und völlig ohne Fernseher, Computer, Spielkonsole ...

Lydia Radestock, im Januar 1997

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