Hundeleben in Praskowitz

Seit ich denken kann, hatten wir auf vor unserem Bauernhof in Praskowitz neben vielen anderen Haustieren auch immer einen Hund.

Der erste, an dem ich mich erinnere, war ein kleiner schwarzer Mischlingshund. Er hieß Murl. Wir hatten ihm aus dem Pfarrhaus bekommen.
Als er erwachsen war, ist er unter ein Auto gekommen. Das war großes Pech, denn es gab ja bei uns früher nur wenige solcher Fahrzeuge. Er starb wohl aus Liebe, denn die Hündin, die er besuchen wollte, wohnte im unteren Dorfteil. Um dorthin zu kommen, musste er die Fernstraße überqueren ...
Leider war er dann so schwer verletzt, dass er starb - wir haben ihm nicht helfen können, und einen Tierarzt für solche Fälle gab es bei uns nicht.

Der letzte unserer Hunde war ein schon erwachsenes Tier, das wir Rolf nannten.
Rolf war ein weißer Spitz, der einen hellbraunen Fleck auf dem Rücken hatte. Er war bald bei uns bald eingewöhnt und bescherte uns man schönes Erlebnis.
Mit unserem kleinen schwarzen Kater hatte er eine enge Freundschaft geschlossen. Die beiden schliefen zusammen einen Korb und fraßen aus einem Napf. Auch als der Kater erwachsen geworden war, hielten die Tiere fest zusammen – gar nicht wie „Hund und Katze“.



Einmal waren wir im Herbst bei sehr schönem Wetter beim Getreide ausdreschen. Dazu mussten immer noch andere Dorfbewohner helfen, denn es war dies eine staubige schwere Arbeit in der Scheune.
Die Helfer bekamen mittags und abends immer ein Essen: Würste mit Kartoffelsalat und Bier, manchmal auch Schnitzel.
Das Bier und die Wurst habe ich holen müssen, und sollte auch alles andere vorbereiten, den Salat machen ... Die 15 Bockwürste legte ich aufs Fensterbrett in der Küche.
Um noch das Bier im Keller kaltzustellen, musste ich aber über den Hof laufen.
Dabei hatte ich natürlich nicht auf unseren Hund Rolf geachtet. Als ich dann die Würste heiß machen wollte, war das Paket aufgerissen, und nur noch fünf von den Würsten schauten mich an.
Unser Rolf lag derweil mit dicken Bauch und schlechtem Gewissen unter der Ofenbank. Der Hund wusste wohl genau, dass er etwas Verbotenes gemacht hatte.
Da inzwischen die Fleischerei zugemacht hatte, musste ich zum Ersatz Rühreier mit Speck zubereiten.
Als ich den Erntehelfern dann die Geschichte von den geklauten Würsten erzählte, gab es ein großes Gelächter, und man ließ sich eben das Ersatzessen schmecken.

Im Sommer 1934 - da war ich 10 - fiel Rolf ein weiteres Mal „aus der Rolle“; er knuffte eine Frau aus unserem Dorf derb in ihren Oberschenkel. Das kam so:
Die Frau Eisenkolb wollte bei uns wieder mal Kirschen kaufen. Als sie zum Tor herein kam, begrüßte sie mein Onkel, Willi Schmehle, etwas freundlicher als alle anderen und fasste ihn auch noch an den Arm. Das jedoch nahm unser Spitz, der den Besuch noch nicht kannte, sehr übel, und schnappte zu.
Vor Schreck fiel die im weißen Kleid erschienene Frau Eisenkolb hintenüber und landete mit dem Hintern in einem großen Korb voller dunkler reifer Kirschen. Wir Kinder mussten uns das Lachen verkneifen - es war wirklich ein sehr komischer Anblick.

Nachher wollte sie das nunmehr weiß-rote Kleid auch noch ersetzt haben. Mein Vater sagte darauf: „Versuchen Sie es doch erstmal mit Auswaschen. Und: hätten Sie doch zuerst den Hund begrüßt – denn der dachte, sie wollten meinem Bruder etwas antun, weil sie seinen Arm berührten."
Die Eisenkolbin sah das auch ein. Wenn sie später wieder einmal zu uns kam, liebelte sie immer zuerst den Hund. Und nachdem dieser sie nun kannte, hat er diese Kirschenaufkäuferin auch nie wieder gekniffen.

Unseren Rolf haben wir im Juli 1945 bei der Vertreibung aus der Heimat zurücklassen müssen. Was wohl aus ihm geworden ist?

Lydia Radestock, im Juli 1992

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