Im Heu am Paterberg

Mein Bruder und ich freuten uns immer, wenn es zur Heuernte zum Paterberg ging. Das war eine lustige Sache.

Natürlich hatten auch wir Kinder unsere Aufgaben dabei, mußten das getrocknete Heu zusammen harken und zu Schobern aufstapeln helfen ... An dem steilen Berghang war es eine mühselige Arbeit, und dabei kam man, wenn es sehr heiß war, oft in´s Schwitzen. Aber uns Kindern machte das nichts weiter aus. Denn: Was gab es dort alles zu sehen und zu erleben!

Spannend war etwa jedesmal, wenn wir zwischendurch gemeinsam auf das Echo vom gegenüberliegendem Zirkowitzer Berg lauschten. Wir riefen immer wieder: "Was hat der Kaiser in der Tasche?" und warteten auf "Asche". Und: "Was ist der Bürgermeister von Salesel?" - "Esel!" Oder: "Wir können funken ...", "heute ist´s heite ...", "wo steht die Leiter ..." Immer fiel uns bei diesem Spiel etwas Neues ein.

Manchmal störten uns während des Rufens unten auf der Bahnstrecke vorbeifahrende Züge, wobei der Lockführer außerdem noch pfiff, wenn er mit dem Zug um die Kurve kam. Wir vernahmen dann nur das Echo vom Pfiff des ratternden Zuges.

Viel lieber als die Züge sahen wir auf der Elbe unten die Dampfer mit etlichen Kähnen hinten dran oder einzelne Zillen sowie die großen weißen Ausflugsschiffe ankommen. Wir riefen dann ganz laut und winkten zu den mitfahrenden Leuten hinüber. Schon von weitem versuchten wir die Schiffe zu erkennen: Jedes war anders gebaut und hatte einen Namen nach einer Stadt an der Elbe. Auf manchen Dampfern spielte eine Musikkapelle. Gern wären auch wir öfter mitgefahren, doch das war für meine Eltern zu teuer.

Schaurig hörte es sich am Paterberg vor einem Gewitter an, wenn der Donner grollte und wir nicht rechtzeitig mit der Arbeit fertig waren. Beim nachfolgendem Regenguß gingen wir in unsere Schutzhütte am Berghang.

Wir beeilten uns aber auch ohne Gewitterdrohung immer sehr, mit dem Heu fertig werden. Denn bevor es wieder heimwärts ging, rollten wir Kinder uns anschließend noch von ganz oben den Berg herab. Meistens landeten wir unten weich an irgend einem Heuschober.

Wenn die Heuernte fertig, das Heu in der Scheune und wir Geschwister bei der Ernte fleißig gewesen waren, konnten wir zur Belohnung manchmal mit unseren Eltern eine Fahrt auf einem großen weißen Elbedampfer erleben. Das war ein ganz seltenes Ereignis für meinen Bruder und mich.
Wir freuten uns schon wochenlang auf einen solchen Sonntag. Da hieß es dann vorweg sehr achtgeben und jeglichen Unfug meiden, der Strafe verdient und die Fahrt etwa hätte ausgefallen lassen!


Lydia Radestock, im Juni 1994

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