Mein Ferienerlebnis 1934 als Schulkind auf der Elbe

Mein Onkel, der Mann von meiner Mutters Schwester, war Steuermann auf einem großem Elbefrachtkahn.
In den Sommer Schulferien 1934 durfte ich einmal auf diesem Wasser-fahrfahrzeug mitfahren. Der Kahn wurde von einem Schleppdampfer gezogen; hinter uns waren mit Seilen noch einige andere angekoppelt.

Die Kähne oder Zillen - wie sie bei uns genannt wurden - waren meistens durchgehend mit Brettern überdacht und besaßen im Innern Stauräume. Diese waren mehrmals unterteilt, damit unterschiedliche Waren gelagert werden konnten. Es wurden meist verschiedene Güter wie Glaswaren, Tonerzeugnisse, Tuche ... oder Obst transportiert.

In der Mitte der kleinen Schiffe befand sich - etwas erhöht - das verglaste Steuerhaus, worin der `KapitänA das Ruder führte.
Wenn andere Kähne und die weißen Elbefahrgastschiffe entgegen kamen oder auf eine Überfähre aufzupassen war, dann hupte der Schlepperführer verschiedene Signale für die Zillenbesitzer: Achtung, aufpassen!

Die Fahrt war für mich ein großes Ereignis: Alles war anders als auf dem Land! Es roch auch immer etwas nach Teer und Elbewasser.
Bei meiner Ankunft ging ich anfangs etwas ängstlich über den schmalen schwankenden Steg zum Kahn hinüber. Anschließend war noch eine steile Treppe hinab zur Steuermannswohnung zu bewältigen. Zuerst kamen wir in eine Küche, dann in eine Wohnstube und dahinter noch in eine Schlafstube, wo die Betten übereinander angeordnet waren. Zum oberen Bett musste man auf einer Leiter hochsteigen. Ich durfte oben schlafen.

Die Küche war etwas klein, trotzdem gab es viele Haushaltsgeräte. Die Tante kochte auf einem Propangas-Kocher das Essen für alle - auch für die Schiffsjungen, welche ihre Schlafgelegenheit im Vorderkahn hatten.
Jeden Abend, wenn wir an Land festgemacht hatten, kam ein Händler-Boot mit Lebensmitteln wie Brötchen, Brot ... vorbei, oder Tante ging in den Orten einkaufen. Das Wasser für die Küche holten die beiden Schiffsjungen von Land. Sie kamen manchmal abends, wenn sie ihr Arbeitspensum geschafft hatten, mit ihrer Ziehharmonika zu uns nach hinten und spielten Volkslieder.

An den Sommerabenden saßen wir gern gemeinsam oben an Deck. Schön war es auch, wenn der Onkel danach den Eimer in die Elbe herunterließ und wir uns mit diesem Wasser erfrischten. Die Tante hatte eine Gießkanne an Deck so angebracht, dass sie wie eine Brause wirkte B daraus perlte das kühle Elbewasser über den Körper; war es eine wunderbare Erfrischung nach dem Aufenthalt im stickigen Schiffsinnern.

Wenn ich oben an Deck herum lief, wurde ich immer wieder ermahnt, vorsichtig zu sein, damit ich nicht in den Fluss falle.
Leider war in diesen Jahr so wenig Wasser in der Elbe, dass die Fahrt nach Hamburg schon in Herrnskretschen an der deutschen Grenze unterbrochen werden musste.
Dadurch war mein Ferienerlebnis leider vorfristig beendet. Lange konnte ich meinen Angehörigen von den vielen spannenden Ereignissen erzählen.

Lydia Radestock, im März 2003

zurück