Polizei Kontrolle auf dem Feuerwehrball
In meiner alten Heimat, dem Sudetenland, durften Personen unter 18 Jahren
nur eingeschränkt an Tanzveranstaltungen teilnehmen. Allenfalls in
Begleitung der Eltern oder einer anderen volljährigen Person war uns das
Tanzen bis 22 Uhr erlaubt.
Nachdem die meisten Festivitäten seit Beginn des 2. Weltkrieges zunächst
gänzlich untersagt worden waren, wurden nach dem Polenfeldzug der
Wehrmacht Tanzveranstaltungen vorübergehend wieder gestattet.
Das war die Zeit, in der auch ich einmal gern mit zum Tanz in das
Elbehotel, wo diesmal der jährliche Feuerwehrball stattfand, gegangen
wäre. Meine Eltern konnten nicht mit und erlaubten, dass ich unter
Aufsicht unseres Nachbarn Herrn Papisch teilnehmen konnte.
Es waren fast nur einheimische Dörfler sowie einige Jungs aus dem
Nachbardorf Lichtowitz anwesend.
Für ein (für unsere Gegend sonst typisches) Blasmusikorchester war die
Gaststätte zu klein. Ohne Mikrofon und Verstärker spielten also die Finger
Hilde (Frau Brunz) mit ihrem Mann und noch einem weiteren Musiker auf
einem winzigen Podium mit Saxophon, Klavier und Keybord Schlager wie
„Stern von Rio“, „Hoch droben auf dem Berg“, „Es war ein Edelweiß“ und
etwas von kohlschwarzen Rappen, dessen Titel ich vergessen habe.
Plötzlich, während eines Tangos, ging ein Raunen durch den Raum: Die
Gendarmen aus Lobositz waren da! Alle Jugendlichen flüchteten von der
Tanzfläche und setzten sich zu den Eltern oder sonstigen Beschützern. Die
von allen Minderjährigen gefürchtete Kontrolle ging los, und da es schon
23 Uhr war, hatten wir Angst vor Strafe.
Weil ich Herrn Pappisch nicht gleich finden konnte, versteckte mich der
Schandor Ernst aus Lichtowitz in der Garderobe schnell unter seinem
Mantel. Wir warteten ab, bis die Kontrolle vorbei war und ich mit meinem
„Mentor“ nach Hause konnte.
Die Stimmung war allen verdorben. Der neue junge Gendarmen-Chef, Herr
Korenz, nahm es eben sehr genau mit dem Gesetz - da durfte nicht gemurrt
werden.
So geht das: Im Alter, wenn man sich einsam fühlt, fällt einem mitunter
ein solches Jungenderlebnis ein, und es ist dann, als wäre es eben erst
passiert, dass einem der Schreck bis in die Fingerspitzen fuhr.
Wenn ich so überlege, wie sich die Zeiten und Gesetze geändert haben:
Heute gehen die Jugendlichen schon mit 14 Jahren alleine in die Disco ...!
Lydia Radestock, im Oktober 2004 |