Reformkaiser Joseph II. hebt die Leibeigenschaft in
Böhmen auf
Joseph
II. galt als der Reformer unter den deutschen Kaisern. In seinen
Erblanden hat er in dieser Hinsicht Vorbildliches geleistet. So hob
Österreich 1781 die Leibeigenschaft förmlich auf, und man ermöglichte
1783 die Ablösung der Fron-Dienste. Bis zur
tatsächlichen persönlichen Freiheit Aller und dem entgültigen Wegfall
der Fron war es aber dann noch ein weiter Weg: Durch das Wirken und die
Anregung des Abgeordneten Dr. Hans Kudlich wurden Österreichs
14 Millionen Bauern erst 1848 - 49 ganz und gar von der Leibeigenschaft
befreit - er wird deshalb als Bauernbefreier angesehen. Zum Vergleich:
In Amerika befreite rund 20 Jahre später Präsident Lincoln 3 Millionen
farbige Sklaven.
Zurück ins 18. Jahrhundert: Vor Joseph II. mussten die kleineren Bauern
immer - umsonst - die Felder der
Großgrundbesitzer bewirtschaften, ehe sie ihre eigenen Äcker bestellen
und beernten durften.
Außerdem hatten sie viele Abgaben an diese Herren und an die Kirche zu
leisten.
Deshalb litten sie bei ungünstiger Witterung oftmals unter Not und
Elend.
Inkognito in einer Kutsche fahrend, kontrollierte der Kaiser in den
Folgejahren die Durchführung seiner Anordnungen. Oft war er deshalb auch
in Böhmen unterwegs und führte Gespräche mit den Bauern.
In der Nähe des Dubitzer Kirchleins unterhalb des Milleschauer Berges
bei Kletschen pflügte damals ein Bauer sein Feld. Der Kaiser ließ
anhalten und fragte den Bauern, wie es ihm gehe, was er für Abgaben
hätte ...
Dann bat er ihn, mit dem Pflug, vor den zwei Pferde gespannt waren, eine
Furche ziehen zu dürfen.
Der Bauer wusste nicht, dass er es mit dem Kaiser zu tun hatte, weil er
ihn noch nie persönlich sah.
Der Kaiser gab sich erst nach seiner Pflügerei zu erkennen. Er versprach
dem Bauern, dass er in Zukunft nicht mehr soviel für den Gutsherrn
arbeiten müsse, und immer erst seine Felder bestellen könne.
Am Rande dieses Feldes wurde ein paar Jahre später ein Denkmal
aufgestellt: Ein auf einem Sockel stehender Pflug – darunter verkündete
eine Tafel, dass hier der deutsche Kaiser eigenhändig eine Furche
geackert habe.
1980, während eines Heimattreffens und mit anschließender Rundfahrt
durch das böhmische Mittelgebirge, unserer alten Heimat, sahen wir, dass
dieses Pflug-Denkmal noch teilweise vorhanden war. Es wird aber
offensichtlich nicht mehr gepflegt.
Dabei ist doch die Aufhebung der Leibeigenschaft auch für die Böhmen ein
wichtiges historisches Ereignis gewesen.
Der - unter der kommunistischen Herrschaft sorgsam kultivierte - Hass
auf alles Deutsche ist aber bei den neuen Herren offenbar so stark, dass
sie eine gemeinsame Vergangenheit nicht akzeptieren wollen.
Ob sie einmal zur Besinnung kommen werden?
Lydia Radestock, im Mai 1990 |