Schiffsausflug auf der Elbe

An einem schönen Sommertage 1937 stellte sich uns Praskowitzer Mädchen die Frage: Was machen wir Sonntag? Gehen wir schwimmen oder zur „Fischmühle“ gucken, wo sich auf der Freitanzdiele im Garten die Paare drehen? Wollen wir wandern oder spazieren gehen, oder sollten wir gar eine Radtour riskieren?!

Es kommt halt ganz auf das Wetter an! Und, warum nicht - wir könnten ja wieder mal mit dem Schiff fahren - natürlich nicht gleich runter bis Dresden. Aber: Wohin wir fahren, ist egal - schön ist es im ganzen Elbetal!
Am besten wird es sein, wir kehren mal in Herrnskretschen ein und fahren dann mit einem Kahn bis hinter zu dem großen Wasserfall. Wenn die ganze Clique dabei ist, vertreiben wir uns den Tag wie nichts. Ihr werdet sehen, das wird bestimmt sehr schön.

Der Vorschlag war also angenommen; gleich wurden noch einige andere Mädels verständigt und am Sonntag sind wir alle in unsern Dirndel-Kleidern zusammengekommen. Schon früh, es wurde gerade helle, ging es los zur Dampferanlegestelle. Wir wollten doch die ersten sein! Denn zu den Abfahrzeiten, da wimmelte es immer vor Leuten; sie drängten sich dort herum wie die Narren, als könnten sie alle umsonst mitfahren.

Wie endlich das weiße Schiff ankam und Richtung auf die Brücke nahm, da kam Bewegung in die Menge, es gab ein Schieben und Gedränge, Geschubse, Drücken und Gehetze: Alles wollte auf die schönsten Plätze! Doch als man sich dann auf dem Schiff umsah, war für jeden noch ein Plätzchen da.

Auf einmal schrie´n ein paar Mädels „Hurra", den auch uns´re Dorfburschen waren plötzlich da. Wir hatten´s vorher nicht vernommen, denn sie sind erst nach uns auf´s Schiff gekommen. Wie hatten die nur uns´re Ausflugsabsicht mitbekommen? Jedenfalls: Sie benahmen sich diesmal sehr friedlich, und so wurde die Fahrt gemütlich.
Die Jung’s hatten gleich auch für uns alle auf dem Oberdeck Plätze erkoren, denn bei den Kartenspielern unten hatten sie nichts verloren - wollten doch lieber die Mädchen necken. Es gelang ihnen dann auch, uns ab und an zu erschrecken. Nacheinander führten sie uns auf dem Schiffe ´rum und erklärten uns genau, wozu man die ganzen Geräte brauchen kann.

Die durstigen Männer hingegen setzten sich in die Kajüte. Im Nu ging´s dort wie beim Frühschoppen zu. Die Kartenspiel-Profis machten gleich hinterher – die Flussschönheit interessierte sie nicht mehr. Das Elbetal kannten sie ja sowieso, beim Glasel Bier und ihrem „18, 20, passe ...“ wurden sie bald heiter und froh.

Den Ängstlichen wurde gleich geraten, bleibt nahe bei den Rettungsbooten. Wenn´s Schiff sollte untergeh´n, bringen euch die Matrosen damit schnell zum Ufer hin. Wer aber dann in der Schleuse will vor Angst in´s Wasser springen, der hole sich vorher einen von den Rettungsringen.
Nach einer Stunde, wenn´s große Tor wieder hochgeht, dann fahren wir doch wieder weiter, bei uns, da ist die Elbe eben breiter. Uns Mädchen war zwischen den dunklen Schleusenwänden nicht ganz wohl, wolltens aber den Jungs nicht zeigen, weil sie uns dann ausgelacht hätten.

Leuten, denen so früh zeitig noch kalt war und die das Reißen hatten, dirigierte man zum Maschinenraum, dort war´s schön warm. Den Öl- und Schmiergeldunst und das Gestampfe der Kolben hatten sie hier freilich ganz umsonst. Manche haben dann drauf geschworen, dort hätten sie ihr Reißen ganz und gar verloren.
Wir Mädels gingen auch mal dorthin und guckten in den Schiffsbauch rein, wo sich die großen Zahnräder drehten. Uns war´s aber hier viel zu laut, und auch ganz unten im Salon gefiel´s uns nicht. Dort roch es zwar fein, doch die Fenster waren uns viel zu klein – man konnte hier nur lauter Wasser sehen. Schnell sind wir also die steile Treppe wieder nach oben gestiegen.

Auf dem Oberdeck, da saßen wir dann stramm mit dem wetterfesten Volk beisamm’. Wir ließen uns um unsere Nasen den Fahrwind ganz gehörig blasen. Eine hatte Schnupfen - immer wieder musste die sich ihre Nase tupfen. Es hatte aber keinen Sinn, umsonst war ihr Bemühen, denn der Wind trieb ihr das Tuch stets ganz woanders hin.
Von hier oben konnten wir auch sehen, wie sich die großen Schaufelräder gerade wie bei einem Mühlenrad drehten. Sie machten Schaum und Wellen; die liefen dann bis zum Ufer hin.

Die Möven wollten Futter haben - sie sind rings um das Schiff geflogen, und kreischten uns an. Wir taten ihnen den Gefallen, gaben aber acht, dass uns keine einen Klecks auf das Dirndel oder die weiße Bluse macht.

Auf der Brücke der junge Kapitän mit seiner weißen Mütze imponierte uns sehr, und auch unter den Matrosen waren einige, die uns gefielen. So fesch sahen unsere Dorfjungs nicht aus!

Vorne auf’m Dampfer und auch hinten waren die „Elbtalschwärmer“ anzutreffen. Die kannten jeden Berg und jedes Tal, stromauf, stromab, das war egal. Zu denen durfte man auch nicht sagen: Es ist woanders auch ganz schön. Gleich hieß es dann: Horcht gar nicht hin - was die vom Elbtal schon verstehen! Sie guckten dann alle gleich ganz verächtlich drein. Am besten war es also hier, in Worten mitzuschwelgen oder zu schweigen oder ... zu singen. Denn als wir aus Begeisterung ein Lied nach dem anderen gesungen haben - wie schön hat das geklungen!

Bald war´n wir in Herrnskretschen, unsern Ziele, beim Aussteigen gab es noch mal so ein Gewühle. Die einen wollten rein, die andern raus, und so wurde ein Gedränge draus. Wir mussten ganz gehörig schieben, denn fast hätten wir den Anschluß an unsere Gruppe verlor´n.

Bald nach dem Landgang ging´s Rennen wieder los, denn wir wollten uns ja noch schnell bis zum Wasserfall in der Edmundsklamm paddeln lassen. Die Jungs hatten sich auch gleich wieder zwei Kähne reserviert und uns Mädchen galant hinein manövriert.
Wie konnte denn anders sein, bei dem Geschaukel fiel ich in´s Wasser rein. Zum Glück war´s gleich am Ufer, und es wurden nur meine Beine nass, für die Bengels war´s natürlich ein Riesenspaß.

In der Edmundsklamm beim Wasserfall war es zwar schön, aber bald mussten wir leider seh´n, dass wir zur Abfahrtszeit zum Schiffe geh´n. Dort gab´s dann zum dritten Mal Gedränge, beinah verlor’n wir einander in der Menge. Endlich hatten dann alle Platz gefunden und haben die ganze Heimfahrt über wieder kräftig mitgesungen.

Es ist dann ziemlich spät geworden, und deshalb war uns Mädels vor´m Heimweg im Mondschein bange. Jetzt spätestens wurde allen klar, wie schön´s doch auf dem Dampfer war. Doch ohne weitere Schwierigkeiten, mit Jux und Neckerei, brachten die Jungs uns Mädels alle gemeinsam wieder in´s Dorf und dann sogar eine jede bis an’s Hoftor zurück. Sie riefen auch noch uns´re Eltern raus, damit keine von uns erst eine große Strafpredigt bekam, weil sie sahen, dass wir begleitet und beschützt worden waren.

Wir schwärmten von der Dampferfahrt noch lange

Lydia Radestock, im Juli 1996

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