"Schwein gehabt" in Praskowitz

In meiner alten Heimat hielten wir in unserer Familie außer vielen anderen Tieren jedes Jahr auch zwei bis drei Schweine. Im Frühjahr kaufte meine Mutter bei einem Bauern, welcher eine Schweinezucht hatte, die kleinen Ferkel, welche wir den Sommer über fütterten. Wenn die Tiere dann eine bestimmte Größe hatten, wurden sie - meistens im Januar oder Februar - geschlachtet. Damit war die Familie das ganze Jahr über mit Fleisch versorgt.

Als Kind durfte ich in den dreißiger Jahren auch manchmal mit zum Ferkelkauf. Eines Jahres im März waren Mutter und ich wieder einmal, gemeinsam mit drei anderen Frauen, mit dem Zug in das Dorf Sulowitz zu einem Schweinehalter gefahren, um Ferkel zu holen. Als alle drei Bäuerinnen ihre Ferkel in den Deckelkörben verstaut und sich die Tragekiepen auf den Rücken genommen hatten, gingen wir zu dem eine halbe Stunde weit entfernten Bahnhof in Lobositz.
Unsere Nachbarin, Frau Mildner, wollte vor der Abfahrt nochmals ihren Einkauf besichtigen. Ehe sie aber den Deckel schließen konnte, war - schwups - ihr ein Ferkel entwischt und lief nun zur Belustigung aller zwischen den anderen Fahrgästen auf dem Bahnsteig herum. Weil der Zug bald kommen sollte, halfen dann einige junge Männer der aufgeregtem Frau, das Tier einzufangen und meinten danach, dass sie dieses Jahr wohl besonderes Glück haben müssten. Sogar der Lockführer fuhr langsamer in den Bahnhof ein und schmunzelte, weil er den Grund der Unruhe bemerkt hatte. Es dauerte schon eine Weile, bis sich Frau Mildner wieder beruhigte. Sie war sehr froh, als sie den Ausreißer dann daheim im Stall hatte. Die Geschichte ging nun im ganzen Dorf herum, und natürlich wurde die Nachbarin im Winter beim Federnschleißen damit noch oft "aufgezogen"!

Unsere Schweine wurden schon des Geruches wegen sehr sauber gehalten: Täglich der Trog ausgewaschen, ausgemistet, frisches Stroh gegeben, wöchentlich mit dem Wasserschlauch die Fußboden-Bohlen und die Kotecke ausgespült ...
Jeden Tag konnten sich die Schweine während des Ausmistens, vor der Fütterung, zur Freude unseres Spitzes Rolf immer ein wenig im Hof aufhalten. Gemeinsam rannten sie dann herum, und Rolf zwickte sie manchmal spielend in die Ohren oder in die Ringelschwänzchen. Ihr Ziel war jedoch - zum Ärger unseres Hahnes und der Hühner - immer der Misthaufen. Nach einer solchen Mist-Tour sah dann natürlich auch der Hund wie ein Dreckschwein aus und musste hinterher im Kuhstall in einer großen Wanne mit duftender Seife gebadet werden. Wenn ausgemistet war und die Rüsselträger merkten, dass es Futter gab, kamen sie fix wieder in den Stall: Manchmal dirigierte auch der Rolf sie einfach hinein.

Einmal waren die Schweine nachts und dann auch tagsüber sehr unruhig und wollten nicht richtig fressen. Mein Vater ahnte schon, was der Grund sein konnte, und nahm eines Tages alle Bohlen heraus. Und richtig: In einer Ecke war ein Nest mit etlichen jungen Ratten. Das Muttertier war vermutlich durch den Abfluss zur Jauchengrube in den Stall gelangt. Natürlich wurde dann das Rattennest samt der Jungen entfernt, jedoch die alte Ratte konnte blitzschnell zwischen den Beinen meines Vaters quer über den Hof in einen Spalt des Kanalisationsgitters entwischen. Dort - im Kanalisationsrohr und unter den Bohlen im Stall - wurden nun Giftköder ausgelegt. Seitdem ließ sich keine Ratte mehr blicken; die Schweine verhielten sich nachts wieder ruhig und wurden dick und rund.

Weil wir mit unseren Tieren immer gut umgingen, sie anständig betreuten und übers Jahr auch manches nette Erlebnis mit ihnen hatten, war es für uns Kinder jedesmal ein trauriger Anlass, wenn eines von den Schweinen geschlachtet werden sollte. Schon einige Tage vorher wurden Vorbereitungen getroffen: Der Hausschlachter (ein Jugendfreund meines Vaters) und ein Fleischbeschauer mussten bestellt, kleingeschnittenes selbstgebackenes Weißbrot, Gewürze, Pfeffer, Knoblauch, Salz vorbereitet, Bier für den Schlachter besorgt werden ...
Am Schlachte-Tag selbst mussten wir früh beizeiten den großen Kupferkessel mit Wasser füllen und darunter ein Feuer angeheizen. Meistens wurden wir Kinder danach zu Nachbarn oder Freunden geschickt, damit wir nichts von dem Töten des Tieres mitbekamen. Der Hausschlächter meinte immer, wenn wir das Schwein so sehr bedauern, bekommt er es nur schwer tot.
Wie es gesetzlich früher auf den Dörfern vorgeschrieben war, gehörte beim Hausschlachten ein Fleischbeschauer dazu. Der musste eine Fleischprobe von dem geschlachteten Schwein am Mikroskop untersuchen und nachsehen, ob das Fleisch Trichinen hatte. Das sind Würmer im Fleisch, welche für den Menschen sehr gefährlich sein können. Ohne diesen Mann hätte nicht geschlachtet werden dürfen..

So ein Schlachte-Tag dauerte bis spät abends: Das Schwein zerteilen, die Würste zubereiten, kochen, anschließend Fleisch, Wurst und rohen Speck für Räucherkammer und Pökelfaß fertigmachen ... Wir Kinder mussten dann am nächsten Tag die üblichen Schlachte-Päckchen im Dorf zum Pfarrer, Lehrer, Gastwirt, Kaufmann und Bekannten, welche noch nicht selbst geschlachtet hatten, austragen gehen. Denn auch wir bekamen aus den anderen Häusern damals solche Schlachte-Päckchen. Dazu gehörten: Eine Kanne Wurstsuppe, Kesselfleisch, Leber, Blutwürste ... Der Umfang der Päckchen richtete sich danach, wie groß die Familien waren.
Von den beschenkten Leuten bekamen wir dann meistens eine Krone, die wir für die verschiedenen Dorffeste oder Süßigkeiten ausgeben konnten.

Lydia Radestock, im Februar 2003

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