Sexuelle Aufklärung 1936

Meine Freundin, die Pappisch Traudel, hatte 1936 zu Hause im Schrank ein dickes Buch über die Ehe gefunden. Darin waren weibliche und männliche Körper sowie alle inneren Organe abgebildet. Auch stand etwas von Verhütung und Geschlechtsverkehr in dem Buch.

Traudel tat dann eines Tages mit mir ganz geheimnisvoll; sie sagte: "Du, ich habe bei uns etwas gefunden, so ein komisches Buch, was da alles beschrieben ist - so etwas hast Du noch nicht gesehen!" Weil ich doch neugierig geworden war, zeigte sie mir dann einmal diesen geheimnisvollen Lesestoff.

Wir konnten zunächst aber beide damit nichts anfangen - damals wurde man von den Eltern nicht aufgeklärt, und in der Schule hatten wir mit unseren 12 Jahren auch kein solches Thema.
Immer wieder guckten wir uns dann heimlich dieses Buch im hintersten Winkel von Pappschens Göppelplatz an - bis uns eines Tages der Oberlehr Emil, und Traudels Bruder Rudi dabei erwischten! "Was habt ihr denn, und warum tut ihr so geheimnisvoll?" Jetzt wollten auch sie das Buch sehen.

Der Emil war drei Jahre älter als wir und von seinen Eltern schon aufgeklärt worden. Nun versuchte er uns zu erklären, wie die Kinder zustande kämen. "Dass sich vorher die Eltern ganz lieb haben müssen im Bett", meinte er. Traudel und ich begriffen es trotzdem nicht.

Bis die Traudel dann - sehr früh - ihren Otto kennen lernte ... Anfangs hatte sie übrigens noch Angst, dass sie schon vom ersten Kuss ein Kind bekommt. Denn auch sie hatte strenge Eltern.
Otto zeigte ihr, was Liebe ist, und heiratete sie bald darauf. Leider musste er dann als Soldat fort in den Krieg. Als er endlich mal im Urlaub war, bekam sie dann ihren Sohn Klaus. Jetzt hatte sie nun selber Erfahrung und wusste, wie die Kinder entstehen!
Bei mir hat es noch etliche Jahre länger gedauert. Ich glaubte noch eine ganze Weile an die Sache mit dem Kuss und dem Kind.

An ein Ereignis jener Zeit erinnere ich mich noch in diesem Zusammenhang: Wir hatten einmal unterwegs an der Elbe bereits benutzte Verhütungsmittel gefunden. Diese Gummis sahen aus wie Luftballons; deshalb versuchten wir natürlich, sie aufzublasen.
Der Trödel Ernst sah das und sagte: "Schmeißt bloß das Zeug weg und spült Euch tüchtig Eueren Mund mit Essigwasser aus!"

Lydia Radestock , im März 2003

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