Vaters Schrotgewehr
Der Burmann Bauer in Praskowitz besaß als Jäger
eine Schrotflinte. Damit nahm er auch an den herbstlichen Hasen-Jagden
teil, welche von den Bauern des Dorfes veranstaltet wurden. Eines Tages,
es war Ende der dreißiger Jahre, hatte er nach einer solchen Jagd
seine Waffe noch nicht wieder im Schrank eingeschlossen.
Sein siebenjähriger Sohn Walter hatte seinem Freund, dem Finger Rudi,
schon lange mal Vaters Flinte zeigen wollen. Nun - Rudi war gerade zu
Besuch - war die Gelegenheit!
Wie der Walter dem Vater später beichtete, wollten sie das Schießgewehr
eigentlich nur angucken, und jeder hängte es sich auch mal auf den
Rücken und lief damit in der Stube herum. Bei dieser Spielerei kam
der Walter dann jedoch an den Abzug und schoss dem Rudi in die Hand. Als
das viele Blut kam, lief Walter gleich zur Mutter.
Obwohl Burmanns den Rudi sofort mit dem Zug nach Aussig in das Krankenhaus
brachten, konnten die Ärzte nur noch seinen Daumen retten. Das war
natürlich eine Aufregung, und Burmanns haben der Familie Finger eine
Abfindung bezahlen müssen.
Eine anderes derartiges Unglück passierte den zwanziger
Jahren - es ging dabei um Sylvester knaller: Unser Nachbarssohn, der Bahatschken
Reinhold, probierte mit meinem Onkel Willi - beides junge Burschen - vor
unserem Hoftor solches Feuerwerk aus.
Der Reinhold klopfte dabei mit einem Stein auf so einen Knaller. Bei der
Explosion verlor er seinen rechten Daumen. Beim Willi, welcher daneben
stand, platzte das Trommelfell, und er war für immer auf einem Ohr
taub und seitdem schwerhörig.
Großmutter erzählte mir später, dass sie gleich vor´s
Tor nachschauen gegangen ist, was die Lümmel wieder angestellt hatten.
Weil Reinhold´s Hand so blutete, machte sie sofort eine Leinenbinde
herum und ging mit dem großen Jungen zu den Nachbarn, damit sie
mit ihm in die Stadt zum Arzt fahren konnten.
Als mein Bruder Franz größer wurde, wurde er von Onkel Willi
immer wieder davor gewarnt, nicht auch solches Schieß- und Knallzeug
auszuprobieren.
Wie ich aus der Zeitung weiß, geschehen trotzt
Warnungen vor derartigen Experimenten mit Schießpulver und Jagdwaffen
besonders bei Jugendlichen, die sich ausprobieren wollen, bis heute wieder
Unfälle, welche manchmal auch noch schlimmer enden.
Können Menschen nicht aus Erfahrung klüger werden?
Lydia Radestock, im Januar 2003
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