Ein besonderer Tag für meinen Sohn Klaus

Es war am 1. September 1958 in Stalinstadt, dem heutigen Eisenhüttenstadt. An der Schule 3 in der Maxim Gorki Straße, in deren unmittelbarer Nachbarschaft unsere kleine Familie (Günter, Lydia, Klaus und Petra) seit einem halben Jahr wohnt, ist heute Einschulung.

Das prachtvolle Schulhaus in neuklassizistischen Stil ist eben eingeweiht worden – der riesige Eingangsbereich steht auf dicken Säulen, in den Fluren prunken mit farbigen Keramiksteinen ausgelegte Brunnen; sogar ein Astronomie-Turm fehlt nicht.

Da jedoch weder die Aula noch die Sporthalle schon benutzt werden können, werden die Kinder gleich in der Klasse begrüßt.
Schüchtern betreten sie den Klassenraum.
Noch gibt es keine Sitzordnung. Das hat die Folge, dass sich jeder Erstklässler zu einem ihm bekannten Nachbarskind setzt und seinen Ranzen unter der Schulbank verstaut. Der Ranzen von Klaus aus echtem Leder war samt Federmappe von Oma und Opa aus Halle gespendet.
Natürlich geht Junge zu Junge und Mädchen zu Mädchen. 24 Schüler sind es – eine erfreulich kleine Klasse.

Nachdem alle Kinder Platz genommen haben, stellt sich eine Frau Hempel (ob sie noch lebt?) in einer sehr angenehmen Art als Klassenleiterin vor. Große Erleichterung bei Kindern, Eltern und Großeltern: zu der kann man Vertrauen haben!

Woran kann ich mich noch erinnern? Ja, natürlich:
An der Hand werden die Finger abgezählt.
Eine Schiefertafel haben die Kinder auch alle dabei – der Umgang mit ihr wird jetzt erklärt. Damals wurden die ersten Buchstaben ja auf diese Weise geübt.
Und es gibt eine Fibel und ein Rechenbuch.

Als die Schul-Einführungsstunde um ist, bekommt jedes Kind zur Belohnung seine große Zuckertüte überreicht, welche die Eltern vorher, mit einem Namenschild versehen, bei der Lehrerin abgegeben hatten.

Dann folgt ein „Fototermin“, und schließlich geht es mit Eltern und Rosenkranz-Großeltern nach Hause in die Maxim-Gorki-Straße 23, denn es lockt den Klaus doch der Inhalt der großen Tüte.

Mein Sohn hat mich gebeten, mal aufzuschreiben, was ich noch über seinen ersten Schultag weiß, und darüber freue ich mich. Dass ich sogar noch den Namen seiner Klassenlehrerin weiß, zeigt mir: Alzheimer ist nicht!

Lydia Radestock, im März 2014

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