Im Wildpark Johannesmühle

Überraschung: An einem Wochenende im März 2009 wurde ich von meinen Kindern zu einem PKW-Ausflug zum Wildpark Johannismühle eingeladen.

Schon die Autofahrt war eine Freude für mich, denn ich hatte Fernweh und war im Winter wenig aus der Wohnung gekommen. Deshalb beobachtete ich unterwegs mit Sympathie das Erwachen der Natur und sah mit Freude, wie die ersten jungen Triebe an den Bäumen und Sträuchern sprossen.

Der Wildpark Johannismühle liegt bei Baruth im Süden von Berlin. Ein findiger Unternehmer hat ihn auf einem 1994 von den Russen freigegebenen Militärgelände angelegt. In diesem ausgedehnten Wald- und Wiesengebiet, das freilich immer noch von Kiefernmonokulturen dominiert wird, gibt es vorwiegend Tiere zu sehen, welche bei uns in Europa auch in der freien Natur vorkommen.

Als wir ankamen und den Rundgang begonnen hatten, fielen uns als erstes die vielen balzenden Vögel auf. Besonders auffällig waren die paarweise fliegenden Krähen, zu denen ab und an noch weitere der schwarz-grau gefiederten Tiere stießen - und dann begann das Gezänk um ein begehrtes Weibchen.
Das geschah auch anderen Vogelpaaren: Als ich mich auf einer Bank ausruhte, beobachtete ich eine Bachstelze, welche gleich von zwei Freiern heftigst umworben wurde. Es war erstaunlich, wie flink sie durch das Gras trippelten. Liebe mach eben mobil!

Plötzlich kam quer über die Lichtung ein großes Rudel Damhirsche mit Jungtieren gelaufen. Einige hatten gewaltige Geweihe. Sie gesellten sich zu Rehen und weißen Ziegen, um sich in einer Senke zu sonnen. Diese Tiere können sich als besucherverträgliche Pflanzenfresser frei im Parkgelände bewegen.

Ein 4 oder 5-jähriger Junge wollte die frei herumlaufen weißen Ziegen mit einem Brötchen füttern. Der Leit-Bock fühlte sich davon zurückgesetzt oder war eifersüchtig, und schupste das Kind plötzlich von hinten mit seinen Hörnern an. Der Junge bekam einen großen Schreck. Seine Mutter rannte ihm gleich entgegen, um Schlimmeres zu verhindern.

In einem Gehege konnten wir Wildschweine beobachten. Für die Besucher gab es dort einen Futterbehälter mit Mais. Wenn man Geld in den Automaten steckte, fielen dann Körner herab, welche von den Schweinen aufgefressen wurden. Der ganze Fütterungsplatz war durch die viele Wühlerei eine einzige Schlammstelle, und die Schweine sahen folglich aus wie die Schweine. Es schien ihnen aber nichts auszumachen.
Unter den Tieren gab es eine strenge Rangordnung beim Fressen. Zuerst holte sich der Keiler etliche Körner. Man erkannte ihn an seiner Körpergröße, dem mächtigen Schädel und den gewaltigen Hauern. Dann konnte seine „Lieblingsfrau“ heran kommen, und erst später ließ er die anderen Bachen zum Futter. Die Überläufer (Jungtiere aus dem Vorjahr) aber wurden von ihm nicht geduldet – sie entkamen seinen Attacken mit schmerzlichem Quietschen.

Viel war noch zu entdecke, was ich hier nicht alles aufschreiben mag. Zum Schluss gab es noch eine Falknervorführung in einer Art Freilichttheater.
Es ist erstaunlich was Falken oder Adler aus so großer Höhe alles auf der Erde erblicken können, und wie sie immer wieder zu ihrem Abrichter zurück fliegen.
Das geschah haarscharf über die Köpfe der Besucher hinweg, denen sich dabei die Haare sträubten. Einer Frau wurde bei so einem Anflug die Kappe vom Kopf gewirbelt – sie quittierte es mit Gelächter.

Wenn diese Tiere in Johannismühle auch alle ein großes Gehege für sich allein nutzen können und wahrscheinlich schon in der Gefangenschaft geboren wurden, sind sie aber halt doch nicht in der Freiheit. Ob es ihnen gefällt, so zu leben?

Aber wer von uns ist schon frei – und was ist eigentlich Freiheit?

Lydia Radestock, im März 2009

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