Mein Start in Neue Mühle

Am ersten Montag im September 2003 war es soweit - ich bezog mein neues Heim im Königs Wusterhausener Ortsteil Neue Mühle.

Ein Spruch unserer Vorfahren, an dessen genauen Wortlaut ich nicht erinnere, sagt, dass man einen alten Baum nur noch schlecht verpflanzen kann. Das muss wohl auch für einen älteren Menschen gelten, denn ich gebe zu: In den ersten Tagen nach dem Umzug ging es mir mies. Ich war ich sehr verzagt und fragte mich, wie ich das ganze Durcheinander meiner Gedanken und Habseligkeiten jemals wieder in Ordnung bekommen und wieder finden werde. Auch mussten ja nun verschiedene An- und Ummeldungen erfolgen, eine neue Hausärztin und andere Spezialärzte gesucht werden ...

Allein hätte ich das niemals geschafft, denn hier muss ich mich überall hin fahren lassen;  Königs Wusterhausen, wo die wichtigen neuen Ansprechpartner sitzen,  ist etwa 3 km von der Wohnanlage entfernt.

Aber ich bin ja nicht allein: Meine Kinder und Enkel helfen nach Kräften. Auch vom ASB und seinen Mitarbeitern bekomme ich viel Unterstützung. Und zum Arzt werde ich gefahren und erhalte Begleitung.

Jeden Tag kommen - wie in Eisenhüttenstadt - früh und abends Schwestern zu mir, um mich zu betreuen und mir meine Medizin zu geben.

Wir erhielten alle auch eine Notrufanlage sowie eine Sicherung für das Handgelenk, an das man bei Gefahr antippen kann, damit von der Schwesterstation in Mittenwalde Hilfe kommt.

Trotzdem: Den ganzen August über herrschte in meiner Wohnung ein Chaos, dass es zum Verzweifeln war!

In jedem Raum standen zunächst Kartons mit eingepackten Sachen herum. Dazu  musste alles einen anderen Platz bekommen, weil ja nicht mehr alle beziehungsweise andere Möbel vorhanden sind. Ich hatte zwar an jeden Karton eine Zahl mit Inhalt und Wohnraum geschrieben und dann noch mal alles in ein Heft eingetragen, aber leider sind in der Umzugseile etliche Koffer und Kartons im Keller gelandet, die nach oben sollten, und umgekehrt. Viele Umzugsbehälter sind auch viel zu schwer für mich, um sie allein zu bewältigen. Ich bin noch lange nicht fertig; ohne Hilfe schaffe ich das nie.

Öfter waren meine Kinder mit mir in diesen Tagen in den anliegenden Großverkaufsanlagen unterwegs, um Möbel und andere Dinge einzukaufen. Das mit den neuen Möbeln für Wohnzimmer und Bad war das Wichtigste, denn nur so konnten die vielen Kisten endlich ausgepackt und die Sachen an ihren neuen Platz gelegt werden.

Sehr unangenehm war für mich, dass ich 4 Wochen lang kein Wasser in der Küche hatte,  denn der Anschluss klappte nicht. Auch musste ich mir eine neue Spüle beschaffen, die mir dann Frank, der Freund meiner Tochter, zur Verfügung stellte. Auch ein Elektroherd, den er nicht mehr benötigte, passte gerade richtig in meine Küchenecke. Dazu bekam ich von ihm noch die Dunsthaube über dem Herd. Denn: Es ist leider keine Tür vor der Kochnische vorhanden, und wenn man kocht, ziehen die Küchendünste durch die Diele.

Im Wohnzimmer ist ärgerlich, dass sich keine Balkontür ankippen lässt. Der Hausmeister hat mir Riegel versprochen, um einbruchsicher lüften zu können, denn wir dürfen die Türen nicht selbst anbohren. Und an der Korridortür ist der Spion so hoch angebracht, dass ich immer erst eine Fußbank nehmen muss,  um zu sehen, wer klingelt.

Durch die vielen Anstrengungen, Aufregungen und das heiße Wetter war ich gesundheitlich und nervlich ziemlich fertig und bekam Ende August einen Kreislaufkollaps: Ich bin am Vormittag plötzlich im Bad umgefallen. Als ich wieder munter war, lag ich auf dem Fußboden; an meinen Hinterkopf stellte ich eine große Beule fest. Am linken Arm hatte ich einen Bluterguss, und mir tat von dem Sturz alles weh.

Als die betreuende Schwester kam und meinen Zustand bemerkte, brachte sie mich sofort mit dem Auto zur Hausärztin, welche mich dann nach einem EKG ins Krankenhaus zu einer gründlichen Untersuchung einliefern ließ.

An den Transport der Samariter, auf der harten Trage ohne Kopfkissen liegend, denke ich mit Grausen zurück. Denn durch die rasende Fahrt wurde ich derart zerschüttelt, dass ich sogar einige Tage Kopfschmerzen hatte. Der begleitende Sanitäter, ein gebürtiger Wessi, sagte zu mir:  „Da sind nur Eure Straßen dran schuld“.

Nach zwei Wochen wurde ich aus dem Krankenhaus entlassen. Nun versuche ich wieder mit meiner Wohnung klar zu kommen. Ich bin sicher, dass ich es schaffen werde.

Lydia Radestock, im September 2003

zurück